- Home
- Wirkstoffgruppen
- Teilen .
- Twittern
- Empfehlen
Hormonelle Kontrazeptiva sind Sexualhormon-Derivate, die zur Schwangerschaftsverhütung eingesetzt werden. Die medikamentöse Empfängnisverhütung mit hormonellen Kontrazeptiva basiert auf der Applikation (einzeln oder kombiniert) von Gestagenen und Estrogenen.
Hormonelle Kontrazeptiva: Übersicht
Anwendung
Wirkmechanismus
Wechselwirkungen
Kontraindikationen
Wirkstoffe
ATC Code
- G03A - Hormonelle Kontrazeptiva zur systemischen Anwendung
Anwendung
Die Wirkstoffgruppe der hormonellen Kontrazeptiva umfasst ein breites Präparatspektrum mit verschiedenen Wirkstoffen und Applikationsmöglichkeiten. Je nach Wirkstoffzusammensetzung, Wirkstoffgehalt, Wirkungsweise und Applikationsform können hormonelle Kontrazeptiva klassifiziert werden in:
- Monopräparate (nur Gestagenkomponente, „Minipille“) und Kombinationspräparate (Gestagenkomponente und Estrogenkomponente, „Mikropille“): Gestagen-Monopräparate enthalten meist Levonorgestrel, Desogestrel oder Drospirenon und eignen sich für Anwenderinnen, bei denen die Einnahme estrogenhaltiger Präparate kontraindiziert ist oder vermieden werden sollte. Die kontrazeptive Sicherheit der Minipillen ist geringer als die der Mikropillen, da die Ovulation nicht zuverlässig unterdrückt wird und die kontrazeptive Wirkung vorwiegend auf peripheren Wirkungen basiert (ausgenommen hochdosierte Desogestrel-Minipillen). Um die kontrazeptive Wirkung der Levonorgestrel-haltigen Minipille zu gewährleisten, müssen diese Präparate täglich zur gleichen Uhrzeit eingenommen werden, während Desogestrel-haltige Minipillen ebenso wie Mikropillen eine gewisse zeitliche Flexibilität zulassen. Bei den Minipillen entfällt das einnahmefreie Intervall, sodass durchgehend eine Tablette eingenommen werden muss, um die kontrazeptive Wirkung aufrecht zu erhalten. Kombinationspräparate enthalten neben der Gestagenkomponente meistens Ethinylestradiol oder natürliche Estrogene wie Estradiol(-valerat) und Estetrol. Ihre kontrazeptive Sicherheit ist höher, allerdings ist das Nebenwirkungsspektrum vor allem aufgrund der Estrogenkomponente ausgeprägter.
- Einphasenpräparate (Activelle®) und Mehrstufenpräparate (Climen®, Qlaira®): Einphasenpräparate haben einen gleichbleibenden Wirkstoffgehalt und werden täglich über einen Zeitraum von 21 aufeinanderfolgenden Tagen appliziert. Danach erfolgt ein 7-tägiges wirkstofffreies Intervall oder die Einnahme von beispielsweise wirkstofffreien Tabletten. Im wirkstofffreien Intervall tritt die Entzugsblutung ein. Um die kontrazeptive Sicherheit zu erhöhen, können Einphasenpräparate auch ohne wirkstofffreies Intervall durchgehend appliziert werden (Off-label use). Daneben gibt es auch Präparate, die während des 7-tägigen Intervalls nur Ethinylestradiol enthalten, um durch Hormonschwankungen bedingte Nebenwirkungen zu unterdrücken. Um den physiologischen Zyklus zu imitieren, existieren Mehrstufenpräparate, die in ihrer Estrogen- und Gestagendosierung im Verlauf des Einnahmezyklus variieren. Die unterschiedlichen Dosierungen sind meist durch unterschiedliche Tablettenfarben gekennzeichnet. Hierbei muss die Einnahmereihenfolge mit der markierten Reihenfolge des Blisters übereinstimmen.
- Orale Präparate (Tabletten bzw. „Pillen“), transdermale bzw. parenterale Präparate (EVRA, SAYANA®, Implanon NXT®) und lokale Präparate (NuvaRing®, GinoRing®): Ebenso wie orale Präparate setzt das kontrazeptive Pflaster sowie der Vaginalring für ein Intervall von 3 Wochen transdermal bzw. lokal Ethinylestradiol und Gestagen-Derivate frei. Während das Pflaster jede Woche gewechselt werden muss (3 Pflaster pro Zyklus) muss der Vaginalring nur 1x über 3 Wochen eingesetzt werden. Nach einem 7-tägigen wirkstofffreien Intervall, in dem die Entzugsblutung eintritt, wird ein neues Pflaster appliziert bzw. ein neuer Ring eingesetzt. Zusätzlich stehen langanhaltende Depotpräparate zur Verfügung, die meist nur eine Gestagenkomponente enthalten. So kann beispielsweise eine intramuskuläre Injektion der Dreimonatsspritze durch einen Depoteffekt eine langanhaltende zuverlässige Kontrazeption bewirken. Als Alternative für Dreimonatsspritzen können Gestagenimplantate verwendet werden. Weiterhin stehen Levonorgestrel-haltige Intrauterinsysteme zur Verfügung, die über einen Zeitraum von 5 Jahren kontrazeptiv wirksam sind.
- Langzeitkontrazeption (zyklische Anwendung bei Kombinationspräparaten, kontinuierliche Anwendung bei Gestagen-Monopräparaten) und Notfallkontrazeption (einmalige Anwendung bis zu 72 Stunden bzw. 120 Stunden nach ungeschütztem Geschlechtsverkehr, PiDana®, EllaOne®): Die Notfallkontrazeptionsmethoden sind nur zur einmaligen postkoitalen Schwangerschaftsverhütung bestimmt. Ein Dauergebrauch ist nicht vorgesehen.
Wirkmechanismus
Zyklusregulation
Sexualhormone (Estrogene und Gestagene) beeinflussen die Funktion und Physiologie der Reproduktionsorgane, indem sie ihre Wirkungen über intrazelluläre Estrogen- bzw. Progesteronrezeptoren auf Transkriptionsebene vermitteln. Die Konzentrationen an Estrogenen und Gestagenen schwanken im Verlauf des weiblichen Zyklus und dirigieren indirekt (durch die Hypophysenhormone LH und FSH) oder direkt verschiedene biologische Prozesse wie die Follikelreifung, den Eisprung, die Gelbkörperbildung und den Aufbau bzw. Abbau des Endometriums. In der ersten Zyklushälfte steigt der Estrogenspiegel kontinuierlich an. In der Mitte des Zyklus erreicht das Estrogenlevel sein Maximum und löst einen LH- und FSH-Peak aus, was wiederum die Ovulation und Follikelreifung induziert. Die Progesteronwirkungen setzen vor allem in der zweiten Zyklushälfte ein.
Hormonelle Kontrazeption
Das primäre therapeutische Ziel hormoneller Kontrazeptiva ist eine Unterdrückung der Schwangerschaft. Folglich muss entweder die Ovulation oder die peripheren Progesteroneffekte unterdrückt werden. Hormonelle Kontrazeptiva mit Estrogenkomponente unterdrücken die Ovulation, indem sie das Estrogenlevel erhöhen und somit eine negative Rückkopplung der Hypophysen-Hypothalamus-Achse auslösen, wodurch die Freisetzung von LH und FSH verhindert wird. Durch das Ausbleiben des LH- und FSH-Peaks unterbleibt die Ovulation. Hormonelle Kontrazeptiva mit alleiniger Gestagenkomponente (z.B. Desogestrel) können in hoher Dosis ebenso eine Anovulation auslösen. Üblicherweise verhindern Gestagene jedoch in erster Linie eine Konzeption, indem sie periphere Gestagenwirkungen an den Tuben, dem Endometrium und dem Zervixschleim induzieren. Diese Wirkungen unterbinden unter anderem die Spermienaszension und verringern insgesamt die Erfolgswahrscheinlichkeiten einer Nidation.
Ein Maß für kontrazeptive Sicherheit ist der Pearl-Index. Je niedriger der Pearl-Index, desto niedriger ist die Zahl der ungewollten Schwangerschaften pro 100 Frauenjahre. Bei der Anwendung von Minipillen liegt der Pearl-Index bei 0,14 bis 8 und bei Mikropillen/Ovulationshemmern bei 0,2 bis 2,2. Im Vergleich dazu liegt der Pearl-Index ohne angewendete kontrazeptive Methode bei 85. Die Einnahme-Adhärenz der Anwenderin kann die Kontrazeptive Sicherheit zusätzlich beeinflussen.
Nebenwirkungen
Die häufigsten unspezifisch auftretenden Nebenwirkungen umfassen:
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Müdigkeit
- Gewichtsveränderungen
- Brustspannen
- Blutdruckveränderungen
- Depressive Verstimmungen
Teilweise können bestimmte (Neben-)Wirkungen auch therapeutisch genutzt werden (z.B. Hemmung der Endometriumsproliferation bei Endometriose, Hautbildverbesserungen bei Akne).
Zu den schwerwiegenden Nebenwirkungen zählen venöse Thromboembolien (VTE) und arterielle Thromboembolien (ATE). Vor allem das Thromboserisiko sollte bei der Auswahl der hormonellen Verhütungspräparate eine Rolle spielen. Das Risiko für VTE und ATE steigt maßgeblich mit der Dosis der Estrogenkomponente. Allerdings können auch die Gestagenkomponente und das Applikationsregime einflussnehmende Faktoren sein. Gestagen-Monopräparate sowie Kombinationspräparate mit „älteren“ Gestagenen (Levonorgestrel, Norgestimat, Norethisteron) haben diesbezüglich ein niedrigeres Risikopotenzial im Vergleich zu Kombinationspräparaten mit „neueren“ Gestagenen (Desogestrel, Drospirenon).
Wechselwirkungen
Durchbruchblutungen können Anzeichen einer verminderten kontrazeptiven Wirksamkeit und damit ein Indikator für bestehende Wechselwirkungen sein.
Die potenziellen Wechselwirkungen umfassen:
- CYP3A4-Induktoren: CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin und Johanniskraut können die Plasmakonzentration und damit die kontrazeptive Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva verringern.
- CYP3A4-Inhibitoren: CYP3A4-Inhibitoren wie Fluconazol und Indinavir können die Plasmakonzentration und damit das Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen erhöhen.
- CYP-Substrate: Die Kombination mit oralen Kontrazeptiva kann die Wirksamkeit von Lamotrigin, Paracetamol, Morphin und Lorazepam abschwächen und die Plasmakonzentration von Diazepam, Ciclosporin, Theophylin und Glucocorticoiden erhöhen.
- Ascorbinsäure, Paracetamol und Ethinylestradiol: Die gleichzeitige Einnahme führt zur verminderten Metabolisierung von Ethinylestradiol.
- Atorvastatin und Ethinylestradiol: Atorvastatin erhöht die AUC von Ethinylestradiol.
- Den enterohepatischen Kreislauf beeinflussende Wirkstoffe (betrifft nur Estrogene) wie Colestyramin und Antibiotika
- Gastrointestinal wirkende motilitätsfördernde Mittel wie Metoclopramid
Kontraindikationen
Hormonelle Kontrazeptiva sind kontraindiziert bei:
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder sonstige Bestandteile des Arzneimittels
- Vorliegen oder Risiko einer venösen Thromboembolie (VTE) wie tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, APC-Resistenz, Anthithrombin-III-Mangel, Protein-C-Mangel, Protein-S-Mangel, thrombogene Valvulopathie, thrombogene Herzrhytmusstörungen, größere Operationen mit längerer Immobilisierung
- Vorliegen oder Risiko einer arteriellen Thromboembolie (ATE) wie Angina pectoris, Myokardinfarkt, transistorische ischämische Attacke, Hyperhomocysteinämie und Antiphospholipid-Antikörper, Migräne mit neurologischen Symptomen, Diabetes mellitus mit Gefäßschädigungen, schwere Hypertonie, schwere Dyslipoproteinämie
- Raucherinnen
- Vorliegender oder vorausgegangener Pankreatitis mit schwerer Hypertriglyzeridämie
- Vorliegender oder vorausgegangener Leberfunktionsstörung, bei der sich die Leberfunktion nicht wieder normalisiert hat
- Sexualhormonabhängigen malignen Tumoren
- Nicht abgeklärten vaginalen Blutungen
- Gleichzeitiger Anwendung mit Arzneimitteln, die Ombitasvir/Paritaprevir/Ritonavir und Dasabuvir enthalten und Arzneimitteln, die Glecaprevir/Pibrentasvir oder Sofosbuvir/Velpatasvir/Voxilaprevir enthalten
- Nicht abgeklärter Amenorrhö
- Schwangerschaft
Wirkstoffe
Estrogene
Die meisten verfügbaren hormonellen Kontrazeptiva besitzen das synthetische Ethinylestradiol als Estrogenkomponente. Daneben finden auch natürliche Estrogene wie Estradiol (mikronisiert oder in Form des Prodrugs Estradiolvalerat) sowie das normalerweise nur bei Schwangeren vorkommende Estetrol Anwendung als hormonelle Kontrazeptiva. Das pharmakokinetische Profil der natürlichen Estrogene ist ungünstiger als das von Ethinylestradiol, sodass vermehrt Zwischenblutungen auftreten können. Allerdings ist das synthetische Ehinylestradiol mit ausgeprägteren Nebenwirkungen assoziiert.
- Estradiol
- Estradiolvalerat
- Estetrol
- Ethinylestradiol
Gestagene
Die als hormonelle Kontrazeptiva eingesetzten Gestagene sind Derivate des Progesterons, 19-Nortestosterons oder Antimineralocorticoid-Derivate. Dabei beeinflusst die chemische Grundstruktur die Partialwirkungen der jeweiligen Gestagenkomponente. Folglich kann die Auswahl des Gestagens zusätzliche Effekte (z.B. Hautbildverbesserung) oder Nebenwirkungen bedingen (z.B. Ödeme oder VTE-Risiko unter Kombinationstherapie mit Estrogenen).
- Chlormadinonacetat
- Cyproteronacetat
- Desogestrel
- Dienogest
- Drospirenon
- Etonogestrel
- Gestoden
- Levonorgestrel
- Medroxyprogesteronacetat
- Nomegestrolacetat
- Norelgestromin
- Norethinsteronvalerat
- Norgestimat
Notfallkontrazeptiva
- Levonorgestrel
- Ulipristalacetat
Autor:
Jan Niklas Herbel (Apotheker)
Stand:
08.05.2024
Quelle:
- Leidenberger et al., Klinische Endokrinologie für Frauenärzte 2014, Springer
- Freissmuth et al., Pharmakologie und Toxikologie, 2020, Springer
- Mutschler et al., Mutschler Arzneimittelwirkungen, 2019, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart
- Linnemann et al., Venous Thromboembolism Issues in Women. Hamostaseologie. 2022;42(5):290-299. doi: 10.1055/a-1919-9558.
- EMA: Drovelis Fachinformation
- EMA: Zoely Fachinformation
- EMA: Evra Fachinformation
- EMA: EllaOne Fachinformation
- Climen Fachinformation
- Qlaira Fachinformation
- Minisiton Fachinformation
- Dienovel Fachinformation
- Sayana Fachinformation
- Implanon NXT Fachinformation
- NuvaRing Fachinformation
- PiDaNa Fachinformation
- Teilen
- Teilen
- Teilen
"); $(".logo").clone().prependTo(".templogo"); if ($("#sameProducts").length) { $("#sameProducts").nextUntil("footer").addClass("hide"); } else { $(".forwardsocial").nextUntil("footer").addClass("hide"); } window.print(); $(".content .templogo").remove(); $(".forwardsocial").nextUntil("footer").removeClass("hide"); });